Wilhelm Selke

* 29. April 1893 in Kröpelin
† 26. Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden

war ein deutscher Buchbinder, Gewerkschafter, KPD-Mitglied und Widerstandskämpfer in der Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation.

“Über sein Leben erfährt man durch seinen Tod……die Fragebogen der Kriminalpolizei, die Vernehmungsprotokolle der Gestapo, die Urteilsbegründung der Richter, das Todesurteil. Die Akten liefern kein Lebensbild, eher ein Fahndungsbild. Das Fahndungsraster ist die Perspektive der Täter, die Sprache beinhaltet die Semantik des Terrors.”

1912 beginnt Wilhelm Selke eine 4-jährige Buchbinderlehre in Rostock; er war bereits 18 Jahre alt. Infolge eines Arbeitsunfalls mit 14 Jahren hatte er sein linkes Bein bis zum Oberschenkel verloren und war lange krank.

  • 1916 Gesellenprüfung mit Auszeichnung, Heirat und Umzug nach Berlin-Kreuzberg
  • 1918 Eintritt in den Deutschen Buchbinderverband
  • 1919 Eintritt in die KPD

Wilhelm Selke kandidierte dreimal für die Bezirksverordnetenversammlung. Von 1928-1929 wird er als Nachrücker Mitglied des Bezirksparlaments.
Das Schwergewicht legte er aber auf seine Gewerkschaftsarbeit. Ab 1928 tätig für die RGO, die Rote Gewerkschaftsopposition, eine linke innergewerkschaftliche Fraktion; er kritisierte 1932 einen Tarifabschluss, der den Buchbindern Verschlechterungen brachte und vertrat die Auffassung, “dass nur ein revolutionärer Kurs… eine Änderung dieser Zustände bringen kann.”

Seit 1936 Arbeit als Buchbindermeister im Ullsteinhaus, von den Nazis umbenannt in Deutscher Verlag. Die jüdische Familie Ullstein wurde gezwungen, 1934 den Verlag an den NSDAP Verlag Eher zu verkaufen. Um das zu vertuschen, erfolgte die Umbenennung in Deutscher Verlag erst 1937.

1944 wird Wilhelm Selke Mitglied der Saefkow-Jacob-Bästlein Gruppe. Von diesen drei Kommunisten gegründet, wird die Widerstandsorganisation partei-, branchen- und gewerkschaftsübergreifend aufgebaut. Es entsteht ein Betriebszellennetzwerk mit Aktiven in mehr als 70 Berliner Betrieben. Das Ziel ist, möglichst viele Berliner gegen Hitler und für die Beendigung des Krieges zu versammeln.

Die Arbeit der Gruppe um Wilhelm Selke im Deutschen Verlag ist es, Flugblätter zu verteilen, Gelder für den Aufbau der Organisation zu sammeln, die Produktion von Nazi-Schriften im Verlag zu verzögern und in gedruckte Bücher Flugblätter zu schmuggeln. Neben Wilhelm Selke sind noch der Buchbinder [Rudolf Peter] und der Packer August Mikutta bekannt. Diese betriebliche Dreiergruppe sollte Ausgangspunkt für eine neue graphische Gewerkschaft sein. Wilhelm Selke vermittelte außerdem Treffen zwischen Anton Saefkow und dem ehemaligen Vorsitzenden des Buchbinderverbandes August Imhof sowie dessen Stellvertreter Emil Priemer, beide Mitglieder der SPD.

Von einem Gestapospitzel verraten, wird die Widerstandsgruppe aufgedeckt. Am 4.7.1944 wird Anton Saefkow, am 10.8.1944 Wilhelm Selke verhaftet und vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein werden zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 hingerichtet. Wilhelm Selke kommt erst einmal mit 2 Jahren Gefängnis davon. August Mikutta und Rudolf Peter werden zu 4 bzw. 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. Rudolf Peter kommt im Zuchthaus Brandenburg am 2.März 1945 um. Für ihn wurde im Oktober ein Stolperstein in Britz in der Gielowerstr. 32 c verlegt.

Im Januar 1945 wird Wilhelm Selke zusammen mit 13 Antifaschisten am Volksgerichtshof erneut der Prozeß gemacht, diesmal wegen Hochverrat. Er und drei andere werden zum Tode verurteilt.
11 Gnadengesuche von Nachbarn und der Familie werden abgelehnt.

Wilhelm Selke wird am 26. Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.

Am 19. November 2008 wird für ihn ein Stolperstein am letzten Wohnort, Ritterstr.109, verlegt.


Alle Angaben: Christoph Hamann, Wilhelm Selke: Buchbinder im Ullstein Verlag. In:
Egon Bannehr u.a., Die Eule läßt Federn. Das Ullsteinhaus 1926 –1986. Setzer, Drucker, Journalisten., Berlin 1996

Eine 2. erweiterte Auflage ist in Vorbereitung und erscheint anfang 2009