Nachlass Karl Richter Bedeutung

Nachlass Karl Richter


Die Bedeutung des Nachlasses

Es handelt sich um einen echten angereicherten Nachlass, der im wesentlichen nach dem Tod Karl Richters ungeordnet in die Verfügung des Nachlassverwalters seines Neffen Jörg Borchardt, kam.

Der Nachlass umfasst Dokumente, Manuskripte und Sammelgut aus allen Lebensphasen und Wirkungsbereichen Karl Richters. Im Zentrum der Überlieferung steht seine gewerkschaftliche Tätigkeit als:

  • Gewerkschaftliche Tätigkeit seit1946 in Berlin, insbes. Auseinandersetzung zwischen FDGB und Unabhängiger Gewerkschaftsorganisation (Vorläufer des DGB Berlin); Organisationssekretär der UGO;
  • Ab 1.12.1948: Gewerkschaftssekretär des Graphischen Industrieverbandes der UGO;
  • Ab 29.3.1949 2. Landesbezirksvorsitzender der IG Druck und Papier, Berlin;
  • Ab 24.3. 1957 1. Landesbezirksvorsitzender der IG Druck und Papier, Berlin;
  • Ab 15.7.1969 Beginn der Altersrente und ehrenamtliche Tätigkeit in der Seniorenarbeit von

Gewerkschaft und SPD. Nur Splitter sind aus der Zeit vor 1946 erhalten:

  • Mitbegründer der Lehrlingsabteilung des Verbandes der Deutschen Buchdrucker seit 1920;
  • Engagement in der Arbeiterjugendbewegung;
  • Gewerkschaftliche Tätigkeit in der Weimarer Republik und bei der Auseinandersetzung mit dem NS;

Ein zweiter Überlieferungsschwerpunkt beinhaltet seine Tätigkeit in der SPD Neukölln in den Nachkriegsjahren, vor allem aber sein Engagement als Initiator und treibende Kraft der Seniorenarbeit in der SPD nach 1971. Von besonderer Bedeutung ist die große Zahl von Vortragsmanuskripten zu sozialpolitischen Themen sowie Mitschriften von Sitzungen und Veranstaltungen. Da Karl Richter maßgeblich die Gründung des Arbeitskreises der “Veteranen” in der SPD, wie sie sich zunächst selbst bezeichnete, gehörte, aus der sich die in der Parteisatzung verankerte “Arbeitsgemeinschaft 60 plus!” entwickelte, kann deren Geschichte in Berlin von der Anfangszeit ab 1969/71 bis zu seinem Tod in den Grundzügen rekonstruiert werden. Darüber hinaus befinden sich im Nachlass Unterlagen zur ehrenamtlichen Tätigkeit in seiner Funktion als Gewerkschaftsvorsitzender (Arbeitsrichter, AOK, Landessozialrichter u.a.) sowie zu seiner Tätigkeit im Rahmen der SPD und der AWO. Ein dritter Überlieferungsschwerpunkt enthält die persönlichen Lebensdokumente und die private Korrespondenz.


Dr. Gerhard Paul (Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung) bewertete den Nachlass in einem Gutachten:

“Der Nachlass spiegelt in seiner Breite die vielfältigen politischen und gewerkschaftlichen Aktivitäten Karl Richters (1904-2005) in Berlin wider: Ein Politiker und Gewerkschafter, dessen Bezugsgröße und Mittelpunkt des gesamten Wirkens Berlin war. Der Bestand umfasst ca. 6,00 lfm Archivgut. Darin nicht eingeschlossen ist die umfangreiche Bibliothek Richters mit einem größeren Bestand Grauer Literatur.

Das vorliegende Archivgut ist, insbesondere auch aufgrund der Breite und Vielfalt der Überlieferung, von außerordentlich hohem historischen Wert für die Forschung zur Geschichte der Berliner Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie.

Die persönlichen Unterlagen Richters sind ungewöhnlich vielfältig und nahezu umfassend im Bestand überliefert. Neben den Ausweisen, Kalendern und Ehrungen finden sich umfangreiche persönliche Korrespondenzen mit Familienangehörigen und Freunden. Integriert in den Bestand sind persönliche Unterlagen, insbesondere der zweiten Ehefrau Herta. Diese Materialien wurden von Richter noch selbst zusammengestellt, ebenso wie zahlreiche Geburtstagsglückwünsche und Briefe vom 50. bis 101. Geburtstag, darunter viele Autographen von Politikern, wie Willy Brandt, Ehrungen, Jubiläen.

Die verschiedenen Etappen der politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit Richters finden ihren jeweiligen Beleg in den Archivalien des Bestandes.Bereits mit 15 Jahren trat Richter in die SAJ ein, 1920 wurde er Mitglied des Verbandes deutscher Buchdrucker. Bei den Materialien aus der Weimarer Republik handelt es sich im wesentlichen um Sammelgut, das Richter später zusammengetragen hat, z.T. wertvolle Stücke, wie handschriftliche Protokollbücher (1929-1933), Handzettel, Flugblätter aus der letzten Phase der Weimarer Republik, Materialien zur Zerschlagung der Gewerkschaften in Berlin durch die Nationalsozialisten.

Unter den Berliner Gewerkschaftern zählte Karl Richter zu den Funktionären der ersten Stunde. Bereits 1946 waren er und seine zweiten Frau Herta SPD-Bezirksverordnete in Berlin. Nach dem Krieg versuchte er als SPD-Betriebsgruppensekretär (1947-1953), systematisch sozialdemokratische Politik in den Betrieben zu verankern. Aktengut aus dieser frühen SPD-Nachkriegspolitik in Berlin ist nur sporadisch überliefert, sieht man von Delegiertenunterlagen zum SPD-Parteitag 1948, Delegiertenversammlungsunterlagen 1959, 1961 u.ä. sowie vereinzelter Korrespondenz als Sekretär, Berichten aus den Parteigliederungen und Flugblättern, Handzetteln etc. ab.

Demgegenüber ist die Seniorenarbeit Richters ab 1971 außerordentlich breit überliefert. Richters Aufbauarbeit bei den Senioren ist beispielhaft und in den Akten detailliert belegt: So liegen Unterlagen aus der Arbeit der sog. SPD-Veteranen nach 1971 vor, aus der Arbeit als Landesbeauftragter der Berliner SPD-Senioren 1979 ff. und als Gründer der AG 60 plus, darunter z.B. Registraturen der Berliner Seniorenorganisation, div. Korrespondenz bis zur Kampagne “Senioren für Schröder”.

1949 Delegierter beim Verbandstag des Graphischen Industrie-Verbands (UGO), wurde Richter 1953 zuerst hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär, später stv. Vorsitzender und von 1959 bis 1971 Landesvorsitzender der IG Druck und Papier in Berlin. Aus der Gewerkschaftsarbeit gibt es eine für hauptamtliche Gewerkschafter relativ breite Überlieferung, darunter das Gründungsprotokoll der Berliner Drucker 1949, div. Kongressüberlieferungen, Korrespondenz als Sekretär und Landesvorsitzender der IG Druck und Papier, Aufzeichnungen aus dieser Zeit, z.T. handschriftlich, Flugblätter, Flugschriften, Handzettel, Vorstandslisten der IG Druck und Papier in Berlin, Fotos von Funktionären u.ä.

Ergänzt werden diese Unterlagen durch Akten aus der Gremienarbeit, aus seiner Tätigkeit in politischen Ausschüssen der Stadt und Verwaltungsausschüssen des Berliner Arbeitsamtes sowie als Arbeitsrichter. Der umfangreiche Manuskriptteil des Bestandes enthält sowohl handschriftliche als auch maschinenschriftliche Aufzeichnungen Richters zur Gewerkschaftsgeschichte und der Geschichte der Arbeiterbewegung und der SPD, insbesondere in Berlin, zur Geschichte des Buchdruckerhauses, theoretische Abhandlungen zu gewerkschaftlichen Themen, politischen Themen, zur SPD-Politik, insbesondere zur Seniorenarbeit, Buch-, Aufsatz- und Vortrags-Manuskripte zu den o.a. Themen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Bestand für die Forschung zur Geschichte der Gewerkschaftsbewegung und der Nachkriegspolitik sowie der SPD-Seniorenarbeit in Berlin von herausragender Bedeutung ist. Er kann nach seiner archivwissenschaftlichen Ordnung und Verzeichnung in verschiedenen Formen als Quelle für einschlägige Forschungen dienen.”

(Gutachten v. 28.2.2006)